«Machine tool is cool»

Spin-offs, Fokus-Projekte, Industriepartnerschaften: Konrad Wegener hat in seinen 20 Jahren am Departement für Maschinenbau und Verfahrenstechnik Etliches bewegt. Seine Herangehensweise: Probleme beherzt angehen und sie lösen. Ende Juli 2023 wird Konrad Wegener emeritiert.

von Inken De Wit
Formelles Portraitfoto von Konrad Wegener
Prof. Dr. Konrad Wegener (Bild: D-MAVT / Ramona Tollardo)

2023 endet Ihre Zeit am D-MAVT. Woran werden Sie sich immer erinnern?

Nach 20 Jahren mit einem Verantwortungsbereich, der in Spitzenzeiten 120 Mitarbeitende umfasste, würde die Sammlung der Anekdoten über 50 Seiten füllen. Statt Anekdoten möchte ich daher lieber einen Hinweis für die Zukunft geben.

2017 und 2018 habe ich jeweils an einer wichtigen internationalen Konferenz zur fertigungstechnischen Forschung teilgenommen. Erst in Lugano in der Schweiz und im Jahr darauf in Japans Hauptstadt Tokio. Während es in Lugano nicht gelungen war, einen hochkarätigen Redner für die Eröffnungsveranstaltung zu gewinnen, kamen in Japan der Kaiser und die Kaiserin persönlich, um der fertigungstechnischen Community die Ehre zu geben. Auch zwei Minister waren anwesend. Ich glaube, dies illustriert die unterschiedliche Wertschätzung der Fertigungstechnik in den beiden Ländern.

Dabei gibt es wohl kein Land auf der Welt, in dem die Bedeutung der Werkzeugmaschine grösser ist als in der Schweiz. Und ich mache mir Sorgen, wie eine so wichtige Säule der Schweizer Wirtschaft künftig bestehen will.

Was waren die Höhepunkte Ihrer Tätigkeit in Forschung und Lehre an der ETH Zürich?

Es gibt viele Projekthighlights – schliesslich sind über 100 Doktorarbeiten am IWF (Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigung) erstellt worden.

Zum Beispiel stammt der weltweit erste Helixbohrer aus Diamanten aus unserem Institut. Mit dieser Technologie lassen sich sprödharte Materialien, die früher ausschliesslich geschliffen werden konnten, jetzt auch fräsen. Anwendung findet dies zum Beispiel im Dentalbereich. Die Technologie legte auch die Basis für die Gründung unseres Spin-offs 6C Tools.

Zudem haben wir wesentlich zur Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz zur Optimierung von Fertigungsprozessen und für den Betrieb von Werkzeugmaschinen beigetragen. So haben wir eine ultra-präzise planar geführte Fräsmaschine sowie eine 5-Achsmaschine entwickelt, bei der wir die durch Temperatureinflüsse entstehende Verformung voll kompensieren können. Auch haben wir die EDM-(Electric Discharge Machining)-Technologie hinsichtlich der Minimierung des Elektrodenverschleisses verbessert und selbstschärfende Bohrwerkzeuge für die Zerspanung von höchst abrasiven kohlefaserverstärkten Kunststoffen (CFK) für die Luft- und Raumfahrtindustrie entwickelt. Weiter haben wir den Schleifprozess, bei dem die Schweiz zu den weltweit führenden Nationen hinsichtlich Hochpräzisionsfertigung zählt, verbessert, indem wir den Prozess mit AE-Sensoren (Acoustic Emission - Körperschallsensoren) überwachen oder durch Drahterosion Schleifscheiben im Prozess abrichten – sowie vieles andere mehr.

Insgesamt sind aus der Forschung an meinem Institut fünf Spin-offs hervorgegangenen, darunter neben 6C Tools auch Atlas VR und Suncar HK AG, und wir haben bei einem weiteren mitgeholfen.

Und schliesslich habe ich gemeinsam mit meinen Mitarbeitenden etliche Fokus-Projekte betreut. Das Bekannteste ist vermutlich das viersitzige Elektroflugzeug e-Sling, das kürzlich auf der AERO in Friedrichshafen ausgestellt wurde und dorthin sogar auf eigenen Flügeln geflogen ist. Aber es zählen auch Elektrobagger, Motorräder, Sportwagen und verschiedene andere Fahrzeuge dazu.

Was davon hat Ihnen auf persönlicher Ebene am meisten Spass gemacht?

Die Zusammenarbeit mit der Industrie und unserer Technologie-Transferplattform inspire sowie die Arbeit mit Studierenden und Doktorierenden.

Professor Wegener umringt von Studierenden und Werkzeugmaschinen
Professor Wegener umringt von Studierenden und Maschinen.

Was werden Sie nach Ihrer Emeritierung am meisten vermissen?

Die Arbeit mit den Werkzeugmaschinen – «machine tool is cool». Die Zusammenarbeit mit Industriepartnern und natürlich das Unterrichten.

Vor allem in den vergangenen zehn Jahren hatte ich dabei das Gefühl, Teil einer grossen Familie von Fertigungstechnikerinnen und -technikern in der Schweiz zu sein. Umgeben zu sein von einem Netzwerk aus Maschinenherstellern, Maschinenverwendern und Komponentenherstellern. Das zeigte sich ganz besonders im vergangenen Jahr bei einer Exkursion zu verschiedenen Unternehmen. Jedes dieser Unternehmen hatte eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter aufgeboten, die oder der bei mir studiert oder promoviert hat. Welch ein freudiges Wiedersehen!

Ich muss aber auch zugeben, dass es etliche Jahre gedauert hat, bis ich in dieser Familie akzeptiert war. Daher wäre es wichtig, bald wieder eine Kollegin oder einen Kollegen aus der ETH in diese Kreise einzuführen.

Was raten Sie jungen Forschenden, die wie Sie eine Karriere in der Wissenschaft anstreben?

Mein erster Tipp ist: Geht erst einmal in die Industrie und schaut, welche echten Herausforderungen es zu lösen gibt. Zweitens muss man lernen, den Kern eines Problems anzugehen und zu beseitigen – oder, wie ich gerne sage, man muss «immer beherzt in die Sch… greifen».

Weiterhin reicht es meines Erachtens nicht, wenn man sich mit einer 4.0 zufriedengibt. Gerade in der Ausbildung muss die 6.0 das Ziel sein. Und auch im Beruf sollte man sich regelmässig überlegen, welchen Beitrag man leistet und wie wertvoll er tatsächlich ist.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Zunächst werde ich meine etwa 20 verbleibenden Doktorierenden zu Ende betreuen und bei inspire noch die eine oder andere Aufgabe erfüllen.

In meiner Heimatstadt Göppingen habe ich zudem schon vor Jahren eine Hausruine gekauft, die ich restaurieren möchte. Da habe ich noch etwa 200 Jahre Arbeit. Auf dem Grundstück verlief früher die äussere und innere Stadtmauer, die ich wieder sichtbar machen möchte.

Und schliesslich möchte ich nach 25 Jahren Wochenendehe wieder mehr Zeit mit meiner Frau und Kindern verbringen und versuchen, zumindest einen Teil dieser Zeit bei meiner Familie wieder gutzumachen.

Was darf auch in Zukunft nicht auf Ihrem Schreibtisch fehlen?

Ich kann an jedem Schreibtisch arbeiten. Der füllt sich in kürzester Zeit von selbst. Aber ohne Kaffee wird’s schwierig.

Prof. Dr. Konrad Wegener (65)
Professor für Produktionstechnik und Werkzeugmaschinen
Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigung (IWF)
Am D-MAVT von 2003-2023

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